William Shakespeare

As You Don’t Like It

nach William Shakespeares – Wie es euch gefällt

As You Don’t Like it  – 2018

Szenische Fantasie nach William Shakespeare
“AS YOU LIKE IT” / „WIE ES EUCH GEFÄLLT” ( um 1600 )

ergänzt mit einem Text von Heiner Müller
( „HERAKLES 2 ODER DIE HYDRA“, 1973 )

Fotos

Adaption / Inszenierung / Kostümbild / Produktion: Joachim Stargard

Premiere: 19. April 2018 in Berlin

Darsteller:
Fabian Rischow (Verbannter Herzog und Oliver duBois),
Moritz Renner (Usurpator Herzog Frederick),
Albert Tallski (Orlando duBois),
Philipp Mohr (Jacques duBois, Diener Adam, Schäfer Silvius),
Niklas Hummel (Waldarbeiter William),
Mohamad Fawaz / Tobias Fischer (Ringer Charles),
Bellisa Unscrupulous-Selfish (Rosalind),
Charlotte Groß (Celia),
Shanti Lunau (Schäferin Phoebe),
Anna Voss (Ziegenhirtin Audrey),
Joachim Stargard (Stimme aus dem Wald)

Technische Leitung, Licht und Ton: Marco Uhlmann
Musikzitate: René Clemencic, Philip Glass, Dmitri Schostakowitsch,
James Tenney
Dank an Isa Mehnert (Atelier Narciss & Goldfaden, Berlin)
Literaturhistorische Beratung: Christa Heck (Rodenbach in Hessen)
Regie- und Produktionsassistenz: Tobias Fischer
Fotos: Ronald Spratte
Plakat & Flyer: Martin Hamann

Eine Produktion des THEATER REISSVERSCHLUSS BERLIN
in Kooperation mit dem Theaterhaus Berlin Mitte

Aufführungen ausschließlich in Berlin: 19.-21. April und 15.-17. Mai 2018
( Theaterforum Kreuzberg Berlin Mitte und Theaterhaus Berlin Mitte Werkstattbühne, Gastspiele )

Inhalt:

Herzog Frederick hat seinen Bruder, den rechtmäßigen Herrscher des Herzogtums, mit einem Staatsstreich entmachtet und sich selbst auf den Thron katapultiert. Der Entmachtete ist in die weiträumige Region des nahegelegenen Ardenner Waldes geflohen, um sich dort unter ungewohnt primitiven Bedingungen sein Leben neu einzurichten. Dieser Wald wird zum Fluchtpunkt noch so mancher anderer Bedrängter und Vertriebener.

Ein früherer Freund des ehemaligen Herzogs namens Sir Rowland duBois hat mit seinem Tod seine Hinterlassenschaft an den ältesten seiner drei Söhne, Oliver, übergeben, der die Erbschaft zu gleichen Teilen auch an seine Brüder weiterreichen sollte. Doch bei dem Drittgeborenen, Orlando, ist davon nie etwas angekommen. Er haust als Knecht und Bittsteller am Hofe, und Oliver trachtet ihm sogar nach dem Leben.

Um seine missliche Lage zu verbessern, nimmt Orlando an einem stattfindenden Schaukampf am Hofe teil, und er besiegt wider Erwarten den seit langem als unschlagbar geltenden berühmten Ringer Sir Charles, wird aber dann von Herzog Frederick dafür nicht belohnt, wie zu erwarten wäre, sondern als Sohn des duBois von Frederick geschmäht.

Nur Rosalind, ein Edelfräulein, Tochter des von Frederick entmachteten ehemaligen Herzogs, hat sich spontan in Orlando verliebt und bezeugt ihm vor allen Augen ihre Sympathie. Frederick erklärt sie daraufhin zur Unperson und schickt sie wie ihren Vater in die Verbannung. In der Gesellschaft ihrer Cousine Celia ( der Tochter Fredericks ) macht sie sich auf den Weg in den Ardenner Wald.

Auch Orlando bleibt keine andere Wahl: Auf getrennten Wegen begibt auch er sich auf die Flucht. Wird es in der Wildnis eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme unter den Opfern geben?


Der Regisseur über seine Sicht der überlieferten Stückvorlage:

Shakespeare malt uns eine Welt aus, in der Gewalt, Betrug und Vertreibung an der Tagesordnung sind und in der ein jüngerer Bruder seinen älteren vom Thron verjagt und sich selbst dessen Macht aneignet. Wer dem Usurpator nicht genehm ist, muss bei Todesdrohung das Weite suchen.

Am selben Herzoghof eignet sich spiegelgleich Oliver duBois, der älteste von drei Brüdern, allein die Erbschaft an, die doch – gemäß dem Willen des verstorbenen Vaters – unter den Brüdern gleichmäßig aufgeteilt werden sollte. Da Orlando, der jüngste der drei, gegen diese Ungerechtigkeit aufbegehrt, plant Oliver ihn umzubringen.

Blutsbande, Prinzipien familiärer Loyalität und Fairness zählen nicht mehr. Eine alte Welt mit ihren bis dato gültigen ethischen Normen hat der neuen Wolfsmoral des jeweils Stärkeren Platz gemacht. Der Autor malt uns das Panorama des stillschweigenden Übergangs der Gesellschaft von einer sich zersetzenden feudalistischen Welt strengen Gefüges zu einem System skrupelloser, sich aller Mittel bedienender Bereicherung. Er findet dabei eine ausgewogene Balance von Gewaltdarstellung, melodramatischem Pathos, leiser Ironie und unaufdringlicher atmosphärischer Poesie.

Die erzwungene Flucht in einen neuen Lebensraum, in die Welt des Waldes, schafft indessen kein neues Glück, kein illusionäres Arkadien. Der unbekannte Wald nimmt zwar die Fremden für erste anscheinend rücksichtsvoll auf: Jeder hat schließlich ein Laubdach über seinem Kopf, und es gibt mehr als reichlich Bäume, in deren Schatten es sich ausruhen lässt —– doch der Boden lässt zunehmend in unterschiedlicher Jahreszeit und Witterung seine ganz eigene Beschaffenheit und Sogkraft spüren, so dass die vermeintliche Gewissheit physischer und gesundheitlicher Sicherheit sich bald als trügerische Illusion erweist.

Doch in der zweiten Hälfte stößt der Leser bei Shakespeare auf ein „anderes Stück“, in dem die dramatischen Konflikte erstarrt sind und plappernden Worthülsen, oft unverständlicher Rhetorik, kuriosen Anagrammen Platz machen und possierliche Idyllen Überhand nehmen. Shakespeares Hang zu unglaubwürdigen, plötzlich herbeigeführten „Entwirrungen“ und auf Zwang getrimmte Happyend-Lösungen setzen das ganze Konfliktgefüge außer Kraft. Da wird gekuppelt und abgesegnet, Verfeindete werden durch Himmelsmacht zu Freunden oder gar Liebenden, Einsiedler bekehren Schurken und Halsabschneider und machen sie zu Gott ergebenen und bereuenden Küss-die-Hand-Lakaien und balsamischen Heiratskandidaten.

Das wollte wohl das Publikum gern so haben – nicht nur in Shakespeares Zeit. Und der große Dichter macht dem Geschäftsmann Platz, der ja bekanntlich Shakespeare als Miteigentümer seines Theaterunternehmens auch war.

Nun will ich aber die Demontage, die Shakespeare seiner ernstzunehmenden dramaturgischen Absicht antut und sie in Banalität abgleiten lässt, nicht zum unkritisch übernommenen Gegenstand unserer Inszenierung machen. Aus diesem Grund ist hier ein radikal kontrastierender Text von Heiner Müller einfügt – als ideologische Fortführung dessen, was der verbannte Herzog als Befürchtung geschildert hat: Der einbrechende Winter wird den der rauen Natur ausgelieferten Emigranten zum Verhängnis.

So freizügig und respektlos, wie wir die zweite Stückhälfte des Ausgangstextes eliminieren, so kehren wir am Ende der Aufführung mit einer abgewandelten Variante zweier Nebenfiguren wieder zu Shakespeare zurück: Die Ziegenhirtin Audrey und der Waldarbeiter William begegnen sich, und eine neue Beziehungskiste kann ebenso beginnen wie eine neue Jahreszeit in der Natur.
J. St.


Aus der Presse:

Wie es Euch nicht gefällt
… Schon vor 25 Jahren gab Regisseur Joachim Stargard seiner besonderen Shakespeare-Aneignung den Titel „WAS IHR (nicht) WOLLT ! “. Nun … nahm er sich das Stück vor, das mit ersterem gern in einem Atemzug genannt wird, aber doch ganz anders ist. „AS YOU DON’T LIKE IT ! “ nennt er seine Fassung, die er mit der sich ständig verjüngenden freien Gruppe REISSVERSCHLUSS erarbeitete, die er vor über 30 Jahren in Berlin-Mitte gegründet hatte. Wie stets klopfte er verschiedene Übersetzungen auf Brauchbarkeit ab und fügte auch einen Text von Heiner Müller als Monolog hinzu … Im Stück werden politische Ränkespiele unter Adligen gegen wahre Liebe gesetzt. Stargard hebt in seiner Inszenierung vor allem Motive wie Wahrheitsliebe und Freundestreue hervor, betont aber auch die ironischen und komischen Momente der Handlung, wenn etwa der vorerst glücklose Held Orlando
( Albert Tallski ) den eigentlich unschlagbaren Kraftsportler Charles
( Mohamad Fawaz ) im Ringkampf besiegt. …“
( Frank Burkhard, das blaettchen, Berlin, Mai 2018 )